Wirkungen und Nebenwirkungen tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie


  1. Jede Form der Psychotherapie kann keine äußeren Notlagen, keine gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, keine Eigenschaften und kein Verhalten von Menschen Ihres Lebensumfeldes ändern. Wenn Sie diesbezügliche Problemlösungen suchen, ist Psychotherapie nicht das geeignete Werkzeug. Ansatzpunkt für eine Psychotherapie sind entweder das eigene Verhalten, das eigene Erleben oder eigene Motive.
  2. Wenn Sie ein störendes Symptom möglichst schnell wegkriegen wollen und es Ihnen nicht so wichtig erscheint, die Hintergründe des Symptoms zu verstehen, ist eine Verhaltenstherapie die beste Behandlungsalternative. Diese Therapieform erfordert aber wie andere Therapieverfahren eine eindeutige Änderungs- Motivation und eine hohe Bereitschaft, die dort vorgeschlagenen Übungen und Hausaufgaben durchzuführen. (Höchstdauer 60 Stunden)
  3. Wenn Sie besser verstehen wollen, warum Sie ein Symptom haben, sich immer wieder im Weg stehen, oder ihnen immer wieder die gleichen schlechten Erfahrungen widerfahren, lohnt sich eine tiefenpsychologische oder psychoanalytische Therapie. Beide Verfahren beruhen auf derselben Theorie, finden aber in einem unterschiedlichen Setting statt.
  4. Da in einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie weniger Stunden (80) als in einer Psychoanalyse (240) zur Verfügung stehen, ist es sinnvoll, die Behandlung mit definierten Fragestellungen anzugehen, die zur Richtschnur der Behandlung werden.
  5. Deshalb ist es wichtig abzuklären, was, weshalb und wozu geändert werden soll, um am Ende und zwischendurch den Therapieerfolg immer wieder überprüfen zu können.
  6. Hierbei handelt es sich um einen Klärungsprozess, der das Kernstück jeder tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie ist.
  7. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist Teamarbeit von Klient und Therapeut. Hierbei sind die Inhalte (worüber geredet werden soll) Aufgabe des Patienten, wohingegen die Aufgabe des Therapeuten darin besteht, darauf zu achten, dass der Klient sich mit seinen Themen so beschäftigt, dass er daraus etwas Neues lernen kann.
  8. Es kann für den Klienten irritierend sein, dass der Therapeut sich hierbei anders verhält, als es in sonstigen sozialen Beziehungen üblich ist (er schweigt, wo „normale“ Gegenüber sprechen, er kann mit Fragen „nerven“, auf weitere Klärungen bestehen, wo andere Gesprächspartner schon nicht mehr nachfragen, er gibt keine Ratschläge, er redet nicht von sich). Dies beinhaltet aber die Chance, dass der Klient in der Therapie tatsächlich was Neues lernen kann.
  9. Um in einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie voran zu kommen ist es wichtig, dass der Klient seine Inhalte einbringt. Ohne diesen Beitrag kann kein Psychotherapeut hilfreich sein. Hierbei ist es weniger wichtig, was in der vergangenen Woche alles passiert ist, sondern, wie Sie dieses erlebt und verarbeitet haben. (Gedanken, Gefühle, Körpererleben, Träume, auch diffuse und zunächst wenig greifbare Befindlichkeiten). Informationen von äußeren Abläufen sind nur soweit wichtig, dass der Therapeut Ihr Erleben besser darin einordnen kann. Sie werden sich vielleicht wundern, dass er sich eher für Ihre inneren Verarbeitungsmechanismen interessiert, wie Sie dazukommen, das äußere Geschehen in genau ihrer Weise zu verstehen, zu erleben und darauf aufbauend in einer bestimmten Form zu handeln.
  10. Manche Klienten verbinden mit ihren Darstellungen eine Haltung: „so nun habe ich alles gesagt und nun soll der Therapeut sagen, was ich machen soll.“ Dies ist das Modell der somatischen Medizin, in welcher der kooperative Patient die Verantwortung für alles weitere in die Hände des Arztes legt. . In der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie hängt der Erfolg aber davon ab, dass Ihre Fragen weniger an den Experten als viel mehr an sich selbst gehen. Die Aufgabe der TherapeutIn ist, darauf zu achten, dass Sie eine Haltung der wohlwollenden Neugier und des wohlwollenden Staunens sich selbst gegenüber annehmen können, die sie dann zu neuen Perspektiven führen kann.
  11. Daraus folgt, dass der Therapeut Ihnen keine Ratschläge bei Lebensentscheidungen geben wird, da dies nicht seine Aufgabe ist. Aus dem Gesagten folgt aber, dass es sinnvoll ist, dass sie anstehende Entscheidungen unter Hinterfragung ihrer bisherigen Perspektiven hier in der Therapie reflektieren.
  12. In Abgrenzung zur Verhaltenstherapie wird nicht an Lösungen gearbeitet, bevor nicht das Problem und die damit verbundenen Ambivalenzen (widerstrebende Wünsche oder Befürchtungen) geklärt und verstanden wurden.
  13. Im Rahmen einer tiefenpsychologischen Behandlung muss der Zusammenhang zwischen Ihrer frühkindlichen Entwicklung, der zwischenzeitig mehr oder weniger erfolgreichen Verarbeitung der dort gemachten Erfahrungen und dem Misslingen dieser Verarbeitungsstrategien in einer aktuellen Problembewältigung sichtbar werden. Erst nach diesem Klärungsprozess lassen sich neue Problembewältigungsstrategien entwickeln.
  14. Der Psychotherapeut ist kein Telepath und Hellseher. Seine Äußerungen sind keine Festlegungen und keine Schubladen. Sie sind Bearbeitungsangebote auf der Grundlage seines derzeitigen Verstehens Ihrer Person und es bedarf fortlaufender Mitarbeit und Feinschliffes um diese Bearbeitungsangebote für Sie passend und stimmend zu machen. Deshalb sind Sie ausdrücklich eingeladen, die TherapeutIn zu korrigieren, wenn Sie sich von einer Äußerung nicht verstanden fühlen.
  15. Die Mobilisierung intensiver Gefühle ist nicht das primäre Ziel einer Psychotherapie. Dennoch ist es ein Zeichen einer gelingenden Psychotherapie, wenn Sie sich durch die angeschnittenen Themen emotional berühren und verunsichern lassen. Probleme lassen sich nicht distanziert und unbeteiligt lösen, sondern erst nachdem die damit verbundenen affektiven Schemata (Erlebens- und Verhaltensmuster) in der Therapie lebendig geworden sind.
  16. Vor diesem Hintergrund ist es kein schlechtes Zeichen, wenn Sie zeitweise auch gegenüber Ihrer TherapeutIn Gefühle entwickeln, die Sie in der einen oder anderen Form beunruhigen. Hierbei ist es sinnvoll, diese Gefühle anzusprechen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie im Verlauf der probatorischen Sitzungen (das heißt vor der endgültigen Antragstellung auf Psychotherapie) ein hinreichendes Vertrauen zu Ihrer TherapeutIn entwickeln können, auf dessen Grundlage dann vorübergehenden Belastungen der therapeutischen Beziehung (durch sog. Übertragungsgefühle) bearbeitet werden können. Falls Verstehens- und Behandlungsfehler der Therapeutin diese Belastung ausgelöst haben sollten, ist das Ansprechen Ihrer Gefühle unumgänglich, damit die TherapeutIn ihren Fehler korrigieren kann.
  17. Mitgefühl, Bedauern und Solidarität durch den Therapeuten sind bei bestimmten Themen (schwere Erkrankungen, Verluste naher Menschen, erlittene Traumata) eine wichtige vorübergehende Hilfe, bis der natürliche Trauerprozess abgeschlossen ist. Bei nicht abschließbaren und komplizierten Trauerprozessen ist das therapeutische Mitgefühl aber leider keine ausreichende Hilfe. Es kann dann im Therapieverlauf notwendig werden, dass Eigenanteile am Zustandekommen tragischer Entwicklungen oder aber die bisher missglückten Bewältigungsversuche von traumatischen Erfahrungen hinterfragt werden müssen. Auch dies erfordert vom Klienten eine Bereitschaft, den Blick nach innen zu richten. Bei einer Traumatherapie im engeren Sinne gelten besondere Richtlinien, die ggf. gesondert vom Therapeuten erläutert werden.
  18. Bei psychiatrischen Erkrankungen (wie Psychosen, Borderline-Problematik) besteht in der Regel die Notwendigkeit einer begleitenden psychiatrischen Behandlung. Hier ist ein Behandlungserfolg wahrscheinlicher, wenn Psychotherapeut und Psychiater nicht gegeneinander arbeiten. Um dies zu ermöglichen empfehle ich, dass sie Psychiater und Psychotherapeut über die Erteilung einer „Entbindung von der Schweigepflicht“ beiden BehandlerInnen die Möglichkeit geben miteinander zu sprechen. Dies kann insbesondere helfen in Krisensituationen Klinikeinweisungen zu vermeiden. Liegt eine gesetzliche Betreuung für die Bereiche Heilbehandlung und Aufenthaltsbestimmung vor, sollte über die Erteilung einer gegenseitigen Schweigepflichtsentbindung auch die gesetzliche BetreuerIn einbezogen sein.
  19. Nach und bei Klinikaufenthalten bitte ich Sie ebenfalls um eine Entbindung (der Klinik und mir) von der Schweigepflicht, um den Entlassungsbericht ausgehändigt zu bekommen und die weitere Behandlung abstimmen zu können.
  20. Falls Psychopharmaka, Schlaf-, Schmerz- und Beruhigungsmittel von anderen ÄrztInnen als einer FachärztIn für Psychiatrie verschrieben werden bitte ich Sie ebenfalls um eine gegenseitige Entbindung von der Schweigepflicht für den behandelnden Arzt und mich.
  21. Bei Suchterkrankungen ist eine Psychotherapie nur nach erfolgter Entgiftung indiziert. Schon der Missbrauch von Alkohol, Drogen und bestimmten Medikamenten kann therapeutische Entwicklungen wirkungsvoll verunmöglichen. Sie sollten bereit sein, auf diese Form der Selbstmedikation zu verzichten, nur auf dieser Grundlage werden Sie in der Lage sein, gesündere Formen der Selbstregulation zu entwickeln
  22. Wie jedes wirksame Heilverfahren kann auch eine Psychotherapie Nebenwirkungen haben, auf die ich Sie an dieser Stelle aufmerksam machen muss. So können Ihre gegenwärtigen Beziehungen (Partnerschaft, Familie, Arbeit, Freundeskreis) durch die angestoßene Entwicklungen belastet werden. Zum einen werden vertraute Erlebens- und Verhaltensmuster in Frage gestellt, möglicherweise müssen neue Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten erst noch erarbeitet werden. Eine gewisse Unsicherheit und eine gewisse Ungeschicklichkeit im Umgang mit noch unvertrauten Handlungsmöglichkeiten können ihre ersten neuen Schritte begleiten und auch Ihre Beziehungen verunsichern. Des Weiteren besteht das Risiko, dass in der Therapie Entwicklungsprozesse bei Ihnen angestoßen werden, bei denen Ihnen Ihr Umfeld nicht folgen kann oder will. Auch aus diesem Grund raten wir Ihnen, Lebensentscheidungen während der Therapie (Trennungen, Familiengründung, Wechsel von Arbeitsstellen und beruflichen Plänen usw.) nicht impulsiv vorzunehmen, sondern sie im therapeutischen Prozess gründlich auf ihre Stimmigkeit und Nachhaltigkeit zu reflektieren
  23. Psychotherapie ist wirkungsvoll! Eine 2011 veröffentlichte Langzeitstudie der Techniker Krankenkasse hat erneut die Wirksamkeit von Psychotherapie belegt. Jeder in eine PT investierte Euro führte demnach innerhalb eines Jahres zu Kosteneinsparungen von 3,26 €[1]
  24. Dies sagt natürlich noch nichts über die Prognose einer einzelnen Psychotherapie aus. Die Erfolgsaussichten einer Psychotherapie liegen nach Erkenntnissen der Psychotherapieforschung je nach Schwere und Chronifizierung des Störungsbild bei etwa 25-70%[2].. Als Nichterfolg werden hierbei Therapieabbruch, anhaltende Stagnation oder auch dauerhafte Verschlechterung des Zustandes (letzteres bei ca. 10%)[3] gewertet. Freilich lässt sich aus einer vorübergehenden Stagnation oder einer vorübergehenden Verschlechterung sich nicht zwangsläufig ableiten, dass die Therapie schlecht läuft. Oft ist dies wegen der oft zwangsläufig erfahrenen Verunsicherungen eine vorübergehende Nebenwirkung auch erfolgreicher Behandlungen. In jedem Falle möchte ich Sie ermutigen, diesbezügliche Zweifel oder Unzufriedenheit mit dem Therapieverlauf anzusprechen. Die erfolgreiche Bearbeitung solcher Therapiekrisen stellt oft einen Wendepunkt in der Therapie dar.
  25. In der Regel sind Kuraufenthalte während einer laufenden ambulanten Psychotherapie nicht sinnvoll. Sie unterbrechen und komplizieren den therapeutischen Prozess. Falls Sie einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt haben, bestehen bei den Gutachtern der Krankenkassen und auch aus unseren Erfahrungen heraus große Zweifel hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Psychotherapie. Eine Besserung Ihrer Beschwerden könnte zu einer Infragestellung des medizinischen Befundes führen, aufgrund dessen Sie Ihren Rentenantrag gestellt haben.
  26. Eine Therapie ist nur dann sinnvoll, wenn Sie folgende Risiken einzugehen bereit sind: Symptomverbesserung, Änderung der Lebensführung, Verunsicherung bisheriger Sichtweisen; Untersuchung des Eigenanteils an der Aufrechterhaltung Ihrer Probleme


[1]
www.bptk.de/presse/pressemitteilungen/einzelseite/artikel/langzeitstud.html

[2] Rudolf G. (2008) „Strukturbezogene Psychotherapie“

[3] Tschuschke, Anbeh: (2008)„Ambulante Gruppenpsychotherapie, S. 36

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